EU: Industriepolitik und Kartellrecht – ein neues Kapitel in einer langen Geschichte?
Für 2019 erwarten wir zudem, dass die Tendenz zur Politisierung des Kartellrechts weiter zunehmen wird. Dabei ist dieses Thema alles andere als neu: Schon in der Vergangenheit gab es bisweilen hitzige Debatten darüber, ob das Kartellrecht der Bildung nationaler Champions entgegensteht. Heute sind aus nationalen indes europäische oder internationale Champions geworden. Das zeigt gerade die angestrebte und zwischenzeitlich untersagte Fusion von Siemens und Alstom, die vor allem in Deutschland und Frankreich hohe Wellen schlägt. Von Seiten des Bundeswirtschaftsministers Altmaier hieß es, man brauche internationale Champions aus Europa, die imstande sind, weltweit im Wettbewerb zu bestehen. Noch deutlichere Worte fand sein französischer Amtskollege Le Maire, der äußerte, eine Untersagung der Fusion sei ein wirtschaftlicher Irrtum und ein politischer Fehler.
Aber das Thema ist nicht auf die Fusionskontrolle beschränkt. So wurde der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit der Verhängung von Bußgeldern politisch motiviertes Verhalten vorgeworfen, insbesondere wenn es um Verfahren gegen Unternehmen der Digitalwirtschaft außerhalb der EU ging. So hielt US Präsident Trump der EU anlässlich der Verhängung eines Rekordbußgeldes der Europäischen Kommission gegen Google im letzten Jahr vor, die USA auszunutzen.
Damals wie heute betont die Europäische Kommission, dass es wichtig sei, dass das Kartellrecht nicht politisiert werde. Entscheidungen der Europäischen Kommission müssten daher strikt nach rechtlichen und nicht nach ideologischen Gesichtspunkten getroffen werden. Auch wenn die Auffassung der Europäischen Kommission im Ausgangspunkt sicher zutreffend ist, so spricht im Einzelfall nichts dagegen, künftig stärker als früher den Wettbewerb von außen, insbesondere von Asien und den USA, zu berücksichtigen oder im Rahmen der Marktabgrenzung statt nationaler oder europäischer Märkte öfter internationale Märkte anzunehmen. Das würde der wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung tragen, ohne einer Politisierung des Kartellrechts den Weg zu bereiten.