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Lliuya gegen RWE – weg­weisen­des Urteil gegen Groß­emitten­ten von Treib­haus­gasen?

04.06.2025

Das Oberlandesgericht Hamm (Az. I-5 U 15/17) hat die Berufung des peruanischen Bergbauern Lliuya gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Essen (Az. 2 O 285/17) mit seinem Urteil vom 28.05.2025 im Ergebnis zurückgewiesen. Lliuya klagt gegen die RWE AG („RWE“), Europas größte CO₂-Einzelemittentin, auf Feststellung, dass RWE anteilig (entsprechend ihrem Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen) die Kosten zu tragen habe für geeignete Schutzmaßnahmen zu Gunsten seines Eigentums vor einer Gletscherflut aus der Lagune Palcacocha. Das Landgericht Essen hatte die Klage 2016 abgewiesen. RWE sei jedenfalls keine Störerin im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB, da es an einer äquivalenten und adäquaten Verursachung der behaupteten Beeinträchtigung fehle. Mit anderen Worten: RWE könne nicht für Beeinträchtigungen im fernen Peru haften, die auf den Emissionen vieler Treibhausgasemittenten beruhten.

Dieser Rechtsauffassung folgte das Oberlandesgericht Hamm nicht, auch wenn es die Berufung gleichwohl zurückwies. Es stützt die Zurückweisung darauf, dass es dem darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht gelungen sei, eine künftige, erstmals drohende Beeinträchtigung seines Eigentums im Sinne des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB nachzuweisen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Wasser aus der Gletscherlagune in den nächsten 30 Jahren das Grundstück des Klägers erreiche und sein Eigentum beeinträchtige, betrage nur etwa ein Prozent. Zudem würde das Wasser auf dem Hausgrundstück des Klägers im Flutfall nur auf wenige Zentimeter ansteigen und nicht stark genug fließen, um das Haus ernsthaft zu beschädigen.

Grundsätzlich schlüssige Klage

Das Bemerkenswerte an diesem Urteil ist, dass das Oberlandesgericht Hamm zunächst – obwohl es einen Anspruch im Ergebnis verneint – auf 56 Seiten die Schlüssigkeit des Klägervortrags begründet und sich dabei mit sämtlichen Einwendungen von RWE auseinandersetzt und diese zurückweist.

Das Gericht sieht einen Anspruch auf die begehrte Feststellung damit auf Basis von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. §§ 677 ff., 812 BGB grundsätzlich als möglich an. Vier Argumentationslinien fallen besonders auf:

(1) Das Oberlandesgericht Hamm rechnet die Emissionen der Tochtergesellschaften von RWE dieser wie eigene zu mit dem Argument, dass sie den Konzern leite und beherrsche. Es sieht die Konzerntöchter daher als Verrichtungsgehilfen der Konzernmutter an.

(2) Würden die (Schutz-)Maßnahmen ernsthaft und endgültig verweigert, komme schon vor der Entstehung tatsächlicher Aufwendungen die Feststellung der Kostentragungspflicht des Störers in Betracht.

(3) Die Kausalität bejaht das Oberlandesgericht – anders als das erstinstanzliche Gericht – mit der Argumentation, dass die behauptete Bedrohung ohne die Emissionen von RWE deutlich geringer wäre. Jeder Bruchteil eines Grades an Erderwärmung führe zu einem schnelleren und stärkeren Abschmelzen des Gletschers. Damit ist für das Oberlandesgericht der Umstand, dass die Beklagte lediglich eine Emittentin aus einer ganzen Reihe von industriellen CO₂-Emittenten, also eine Störerin unter vielen ist, kein Abweisungsgrund für die Klage. Das Oberlandesgericht meint, dass die Haftung lediglich an die jeweilige Verursachungsquote, also den CO₂-Ausstoß, anzupassen sei.

(4) Schließlich ist die drohende Beeinträchtigung nach der Begründung des Oberlandesgerichts auch rechtswidrig, weil es insoweit nicht auf die Rechtswidrigkeit der störenden Handlung, sondern auf das Erfolgsunrecht ankomme. RWE helfen damit weder die Erlaubnisse und Genehmigungen von Behörden für das Betreiben der emittierenden Anlagen noch die Zertifikate nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG). Sie sollen nach Ansicht des Oberlandesgerichts keine Duldungspflicht des Klägers begründen. Damit stellt sich das Oberlandesgericht Hamm gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Az. 32 U 936/23), das in einem Klimaklage-Verfahren gegen den Autohersteller BMW entschieden hatte, dass BMW die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet habe, indem es die Vorgaben aus den PKW-Emissionsverordnungen der EU einhalte.

Weitere Klagen zu erwarten – aber auch abweichende Entscheidungen

Insgesamt dürfte die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm ähnlich gelagerten Klagen wieder Auftrieb geben. Gleichwohl ist die Argumentation des Oberlandesgerichts Hamm an vielen Stellen angreifbar. Insbesondere bei der Frage, ob der Kläger die Kausalität des Verursachungsbeitrages schlüssig dargelegt hat, sind anderweitige Entscheidungen zu erwarten, die auf Basis der Vielzahl anthropogener Emissionsquellen und Emissionsbeiträge, der Selbstverstärkung des Klimawandels und der Möglichkeiten moderner Attributionsforschung die schlüssige Darlegung einer rechtlich tragfähigen Ursache-Wirkungs-Beziehung verneinen. Hier wird es auf die Darlegung der Umstände des Einzelfalls und die frühzeitige Ausrichtung der Prozessstrategie ankommen.

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