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Corporate-Newsletter April 2015

22.04.2015

In unseren Corporate/M&A-News bereiten wir aktuelle Themen zum Gesellschaftsrecht/M&A prägnant für Sie auf. Wir filtern dazu wesentliche neue Rechtsprechung und Gesetzgebungsvorhaben und fassen diese mit Verlinkungen zusammen. In der aktuellen Ausgabe informieren wir Sie u. a. über folgende Themen:

Rechtsprechung 
 Gesetzgebung

Rechtsprechung:

Inhalt und Folgen einer qualifizierten Rangrücktrittsvereinbarung

BGH, Beschluss vom 5. März 2015 – IX ZR 133/14

Der BGH hat sich im vorliegenden Verfahren mit der Rechtsnatur und der Ausgestaltung eines Rangrücktritts nach § 39 Abs. 2 InsO sowie den Folgen von Zahlungen beschäftigt, die einer solchen Rangrücktrittsvereinbarung widersprechen. Der hier klagende Insolvenzverwalter einer GmbH, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, machte die Rückzahlung von Zinszahlungen an die Beklagte geltend. Die Zahlungen waren auf der Grundlage einer Genussrechtsvereinbarung über ein Nominaldarlehen und eines nachrangigen Darlehens geleistet worden. Beide Verträge enthielten die folgende Rangrücktrittsvereinbarung:

Die Gläubigerin tritt mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung des Nominalbetrages und ihrem Anspruch auf Zinszahlung dergestalt im Rang hinter die Forderungen aller bestehenden und künftigen Gläubiger der Schuldnerin zurück, dass sie erst nach Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und, soweit ein Liquidationsüberschuss oder ein die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigendes Vermögen der Gesellschaft hierfür zur Verfügung steht, nur zugleich mit, im Rang jedoch vor den Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschafter der Schuldnerin Erfüllung dieser Ansprüche verlangen kann. Der Nachrang gilt auch im Insolvenzverfahren. Der Rangrücktritt gilt nur, solange und soweit durch eine teilweise oder vollständige Befriedigung des im Rang zurückgetretenen Anspruchs der Gläubigerin eine Überschuldung oder eine Zahlungsunfähigkeit im insolvenzrechtlichen Sinne der Schuldnerin entsteht oder zu entstehen droht.

Der BGH äußerte sich zunächst zu den bislang in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Auffassungen zur Rechtsnatur einer Rangrücktrittsvereinbarung. Er lehnte eine Einordnung als bedingten Forderungserlass sowie als Stundungsvereinbarung ab und stellte fest, dass eine Rangrücktrittsvereinbarung ein Schuld- oder Schuldänderungsvertrag (§ 311 Abs. 1 BGB) sei. Aufgrund des Schuld- oder Schuldänderungsvertrages werde die Forderung mit dinglicher Kraft inhaltlich dahin umgewandelt, dass sie nicht mehr zu passivieren sei. Als Vertrag zugunsten der Gläubigergesamtheit könne die Rangrücktrittsvereinbarung ab dem Eintritt der Insolvenzreife nicht mehr durch eine Abrede des Schuldners mit dem Gläubiger der Forderung aufgehoben werden.

Weiter legte der BGH dar, dass Gläubiger und Schuldner zwar grundsätzlich den Inhalt und die Reichweite eines Rangrücktritts einer Forderung frei vereinbaren könnten. Solle eine Rangrücktrittsvereinbarung aber die Vermeidung einer Insolvenz sicherstellen, müsse der betreffende Gläubiger aufgrund eines qualifizierten Rangrücktritts sinngemäß erklärt haben, er wolle wegen der Forderung erst nach Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und ‑ bis zur Abwendung der Krise ‑ auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als handele es sich bei dem Darlehen um statutarisches Kapital. Die Rangrücktrittserklärung könne nach dem derzeit geltenden Wortlaut des § 19 Abs. 2 S. 2, § 39 Abs. 2 InsO darauf beschränkt werden, hinter die Forderungen aus § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zurückzutreten, ohne darüber hinaus eine Gleichstellung mit den Einlagerückgewähransprüchen vorzusehen. Zur Vermeidung der andernfalls unumgänglichen Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO) sei jedoch zu verlangen, dass der Rangrücktritt auch den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung erfasse. Es sei zudem erforderlich, dass der Gläubiger aufgrund der Rangrücktrittsvereinbarung dauerhaft gehindert sei, seine Forderung geltend zu machen. Unzureichend sei daher ein lediglich zeitlich begrenzter Rücktritt.

Der BGH kam ferner in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die vorstehend wiedergegebene Rangrücktrittsvereinbarung den Voraussetzungen eines wirksamen qualifizierten Rangrücktritts entspricht. Er stellte zudem fest, dass die Begleichung einer Verbindlichkeit, für die ein solcher Rangrücktritt vereinbart wurde, trotz Insolvenzreife mangels eines Rechtsgrundes nach § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB zurückgefordert sowie als unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO angefochten werden könne. 


Umfang der Auskunftspflichten des Geschäftsführers im Insolvenzeröffnungsverfahren

BGH, Beschluss vom 5. März 2015 – IX ZB 62/14

Der BGH äußerte sich in vorliegendem Verfahren zum Umfang der Auskunftspflicht eines (hier zwischenzeitlich abberufenen) Geschäftsführers einer insolventen GmbH im Insolvenzeröffnungsverfahren. Während der Geschäftsführer bereitwillig Angaben zu den inneren Verhältnissen der GmbH machte, weigerte er sich, Auskunft über die eigenen Vermögensverhältnisse zu erteilen. Diese waren erforderlich, um die Werthaltigkeit etwaiger gegen ihn gerichteter Erstattungsansprüche ‑ insbesondere solcher aus § 64 GmbHG ‑ prüfen zu können.

Der BGH gab dem Geschäftsführer Recht: Die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners aus § 97 InsO gelten zwar gemäß § 20 Abs. 1 S. 2 InsO auch im Insolvenzeröffnungsverfahren. Da sich das Eröffnungsverfahren hier jedoch gegen eine GmbH und damit nicht gegen eine natürliche Person richte, seien gemäß § 20 Abs. 1 S. 2, § 101 Abs. 1 S. 1 InsO die Mitglieder des Vertretungsorgans zur Auskunft verpflichtet. Auch ein ehemaliger Geschäftsführer, der binnen zwei Jahren vor Antragstellung der GmbH abberufen worden sei, unterliege gemäß § 20 Abs. 1 S. 2, § 101 Abs. 1 S. 2 InsO insoweit weiterhin einer Auskunftspflicht.

Inhaltlich erstrecke sich die Auskunftspflicht des Geschäftsführers einer GmbH auf sämtliche rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse der Gesellschaft. Ansprüche der insolventen Gesellschaft gegen Gesellschafter und Geschäftsführer seien auch Bestandteil der Insolvenzmasse. Die Auskunftspflicht diene auch dem Zweck, Ansprüche des insolventen Unternehmens gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer aufzudecken. Folglich habe ein Geschäftsführer auch Tatsachen zu offenbaren, die Forderungen der insolventen Gesellschaft gegen ihn selbst ‑ etwa aus § 64 GmbHG ‑ nahelegen könnten. Da die Auskunftspflicht der organschaftlichen Vertreter aus § 101 Abs. 1 InsO allerdings auf das Vermögen der früher oder gegenwärtig von ihnen geleiteten Gesellschaft bezogen sei, seien sie nicht verpflichtet, über ihre eigenen persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse und die Realisierbarkeit etwaiger gegen sie gerichteter Forderungen Auskünfte zu erteilen. Aus dem Umstand, dass bei einer juristischen Person die Auskunft nur durch die Organvertreter erteilt werden könne, folge keine Erweiterung der Auskunftspflicht auch auf die persönlichen Verhältnisse dieser Personen.


Kein Vermerk über Testamentsvollstreckung in Gesellschafterliste

BGH, Beschluss vom 24. Februar 2015 – II ZB 17/14

Der Geschäftsführer einer GmbH, der gleichzeitig Testamentsvollstrecker über zwei Geschäftsanteile an dieser GmbH war, reichte eine Gesellschafterliste beim Handelsregister ein. In dieser Gesellschafterliste war die Dauertestamentsvollstreckung über die zwei Geschäftsanteile vermerkt. Das Registergericht weigerte sich, diese Gesellschafterliste aufzunehmen. Der BGH gab dem Registergericht Recht. Dieses dürfe die Aufnahme einer mit einem Testamentsvollstreckervermerk versehenen Gesellschafterliste ablehnen.

Ein Testamentsvollstreckervermerk gehöre nicht zu den in § 40 Abs. 1 GmbHG gesetzlich vorgesehenen Angaben und sei daher unzulässig. Mit dem Erbfall sei zwar eine Veränderung in den Personen der Gesellschafter eingetreten. Die Aufnahme eines Testamentsvollstreckervermerks in die aus diesem Anlass neu einzureichende Gesellschafterliste sei in § 40 Abs. 1 GmbHG aber nicht vorgesehen. Es stehe nicht im Belieben der Beteiligten, den Inhalt der von ihnen eingereichten Gesellschafterliste abweichend von den gesetzlichen Vorgaben um weitere, ihnen sinnvoll erscheinende Bestandteile zu ergänzen. Dem stehe der Grundsatz der Registerklarheit entgegen, der entsprechend auch für die Gesellschafterliste gelte.

Im Gegensatz zum Aktienregister nach § 67 AktG sei die Gesellschafterliste von jedermann einzusehen (§ 9 Abs. 1 S. 1 HGB) und jederzeit elektronisch abrufbar (§ 9 Abs. 1 S. 2 ff. HGB). Es liege daher im Interesse des Rechtsverkehrs, dass die abrufbaren Informationen übersichtlich und geordnet sind, um Missverständnisse zu vermeiden. Würden Eintragungen in der Gesellschafterliste abweichend von § 40 GmbHG in das Belieben der Beteiligten gestellt, sei die Gefahr der Unverständlichkeit und Unübersichtlichkeit höher als bei Eintragungen in das Handelsregister: Im Gegensatz zum Handelsregister, das von einer staatlichen Stelle nach den in der Handelsregisterverordnung vorgegebenen Regeln aktualisiert werde, würden aktualisierte Gesellschafterlisten, deren Gestaltung im Übrigen weder im Einzelnen vorgegeben sei noch geprüft werden müsse, durch Notare und Geschäftsführer eingereicht. Es bestehe letztlich auch kein erhebliches praktisches Bedürfnis an der Information über eine Testamentsvollstreckung über einen Geschäftsanteil in der Gesellschafterliste, das über ein allgemeines Informationsinteresse hinausgehe.


Keine Pflicht zur Übersendung des Prüfungsberichts an die Kommanditisten bei Publikums-GmbH & Co. KG

BGH, Urteil vom 3. Februar 2015 – II ZR 105/13

Die Klägerin ist Kommanditistin einer Publikums-GmbH & Co. KG. Die beklagte Gesellschaft hatte zu einer Gesellschafterversammlung geladen, in der auch über die Feststellung von Jahresabschlüssen der vergangenen vier Jahre abgestimmt werden sollte. Der Einladung lagen die Jahresabschlüsse, nicht aber die Prüfungsberichte der Abschlussprüfer bei. Während der Versammlung erläuterten die Abschlussprüfer, dass für drei Jahre lediglich ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk hätte erteilt werden können. Die Gesellschafterversammlung stellte anschließend alle zur Abstimmung gestellten Jahresabschlüsse mit Mehrheitsbeschluss fest und beschloss die Entlastung von Geschäftsführung und Beirat. Gegen diese Beschlüsse richtete sich die Klage der Klägerin.

Der BGH gab der beklagten Gesellschaft Recht und schloss sich nicht der Ansicht der Klägerin und der Vorinstanz an, die Beschlüsse seien mangels Beifügens der Prüfungsberichte der Abschlussprüfer zur Einladung bereits wegen eines schwerwiegenden Einladungsmangels nichtig. In einer Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG folge aus einer nach § 316 Abs. 1 HGB oder aufgrund des Gesellschaftsvertrags bestehenden Prüfungspflicht nicht die Verpflichtung, den Kommanditisten den Prüfungsbericht mit der Einladung zu der Gesellschafterversammlung, die über die Feststellung des Jahresabschlusses zu beschließen hat, zu übersenden. Dies gelte auch dann, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag allen Gesellschaftern mit der Einladung zu der Gesellschafterversammlung der Entwurf des Jahresabschlusses zu übersenden sei. Es treffe zwar zu, dass bei Bestehen einer gesetzlichen Prüfungspflicht der Jahresabschluss nicht festgestellt werden könne, wenn keine Prüfung stattgefunden habe (§ 316 Abs. 1 S. 2 HGB). Die daran anknüpfende Auffassung, die im Gesellschaftsvertrag der beklagten Gesellschaft geregelte vertragliche Verpflichtung zur Prüfung der gesetzlichen Prüfungspflicht gleichzustellen, weshalb mit der Einladung zur der die Jahresabschlüsse feststellenden Gesellschafterversammlung auch der Prüfungsbericht hätte übersandt werden müssen, finde aber in den gesetzlichen Regelungen keine Grundlage.

Insbesondere sei die Regelung des § 42a Abs. 1 GmbHG, nach der in einer GmbH den Gesellschaftern neben dem Jahresabschluss unter anderem auch der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers vorzulegen ist, auf eine Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, in der die Kommanditisten nicht zugleich Gesellschafter der GmbH sind, nicht analog anwendbar. An der für eine Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit fehle es hier schon deshalb, weil die Mitwirkungsrechte von Kommanditisten wesentlich schwächer ausgebildet seien als die gesetzlichen Befugnisse der Gesellschafter einer GmbH.

Der BGH stellte aber klar, dass die Jahresabschlussprüfung (auch) der Information des Gesellschaftsorgans diene, das über die Feststellung des Jahresabschlusses zu beschließen habe. Der Prüfungsbericht müsse daher grundsätzlich dem zuständigen Gesellschaftsorgan ‑ im vorliegenden Fall der Gesellschafterversammlung ‑ im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung zur Verfügung stehen. Die Information könne aber etwa auch durch Einsichtnahme erfolgen und sei damit weder an eine bestimmte Form der Information noch an die Einladungsfrist gebunden.


Nichtigkeit der Übertragung eines Geschäftsanteils wegen Verstoßes gegen § 1 GWB

BGH, Urteil vom 27. Januar 2015 – KZR 90/13

Die beklagte GmbH betreibt eine Einkaufskooperation für Dentalartikel. Sie war als Mittelstandskartell gemäß § 4 Abs. 2 GWB in der Fassung der 6. GWB-Novelle durch das Bundeskartellamt vom Kartellverbot nach § 1 GWB freigestellt. Nachdem der Kläger im Jahr 2001 in die Einkaufsgemeinschaft durch Erwerb eines Geschäftsanteils eingetreten war, vertrat das Bundeskartellamt die Auffassung, die Freistellungsvoraussetzungen lägen nicht mehr vor. Daraufhin zog die Gesellschaft den erworbenen Geschäftsanteil des Klägers ein. Hiergegen wendete sich der Kläger. Er ist insbesondere der Ansicht, dass sein Beitritt von Anfang an unwirksam gewesen sei und damit alle gegenseitigen Leistungen nach Bereicherungsrecht rückabzuwickeln seien. Entsprechende Ansprüche machte er im vorliegenden Verfahren geltend.

Der Kartellsenat des BGH entschied, dass die Nichtigkeit des Anteilskauf- und -abtretungsvertrags nach § 134 BGB in Verbindung mit § 1 GWB nicht der Annahme entgegensteht, dass der Kläger gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG a.F. der Beklagten gegenüber als Erwerberin des Geschäftsanteils und damit als Gesellschafterin gelte. Demnach habe für die gegenseitigen Leistungen der Gesellschaft und dem klagenden Gesellschafter ein Rechtsgrund bestanden. Die bislang – auch für die geltende Fassung von § 16 Abs. 1 GmbHG – umstrittene Frage, ob die grundsätzlich anwendbare Vorschrift des § 16 Abs. 1 GmbHG a.F. auch dann eingreift, wenn die Nichtigkeit der Übertragung eines Geschäftsanteils nach § 134 BGB auf einem Verstoß gegen § 1 GWB beruht, hat der BGH im Sinne der überwiegenden Ansicht im Schrifttum bejaht. Der BGH stellte fest, dass bisher bei der Anwendung des § 16 Abs. 1 GmbHG a.F. nicht zwischen Verstößen gegen § 1 GWB und anderen Unwirksamkeitsgründen differenziert worden sei. Vielmehr sei die Auffassung, wonach ein fehlerhafter Beitritt zu einer GmbH nicht nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft zu beurteilen sei, damit begründet worden, dass nach § 16 Abs. 1 GmbHG a.F. die Gesellschaft unabhängig von der wahren Rechtslage jeden, dessen Anteilserwerb bei ihr angemeldet und nachgewiesen worden sei, als Gesellschafter behandeln dürfe und müsse. Diese Auslegung des § 16 Abs. 1 GmbHG a.F. entspreche nicht nur dem Wortlaut der Norm, sondern auch ihrem Sinn und Zweck. Sowohl für die Gesellschaft wie für den Veräußerer und den Erwerber solle bei einem unwirksamen Beitritt durch die Fiktion eines wirksamen Erwerbs der Gesellschafterstellung Rechtssicherheit geschaffen werden. Insbesondere solle die Gesellschaft nicht darüber streiten müssen, wer zur Zahlung der Einlage verpflichtet ist. Insoweit diene die Vorschrift auch dem Gläubigerschutz. Die Gläubiger sollten darauf vertrauen dürfen, dass diejenigen, die ihren Beitritt ordnungsgemäß angemeldet hätten und dementsprechend von der Gesellschaft als Gesellschafter behandelt würden, auch tatsächlich wie ein Gesellschafter den gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliegen. Dieses Schutzbedürfnis der Gesellschaft wie das ihrer Gläubiger und der am Erwerb des Geschäftsanteils beteiligten Gesellschafter bestehe grundsätzlich auch dann, wenn der Beitritt wegen eines Verstoßes gegen § 1 GWB nichtig sei. Dies zeige gerade der vorliegende Fall, in dem die beklagte Gesellschaft keinen kartellrechtswidrigen Zweck verfolgt habe, sondern vom Kartellverbot freigestellt war und die zutreffende kartellrechtliche Beurteilung des Beitritts der Klägerin nicht offenkundig war.


Erledigung eines Statusverfahrens mit Verschmelzung

BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 – II ZB 7/14

Der BGH hatte vorliegend die Auswirkungen der Verschmelzung einer GmbH zur Aufnahme auf eine andere GmbH auf ein laufendes Statusverfahren nach § 98 AktG zu entscheiden. Das Statusverfahren über die Besetzung des Aufsichtsrats der durch die Verschmelzung erloschenen GmbH war bereits vor dem Wirksamwerden der Verschmelzung eingeleitet worden. Gegenstand des Statusverfahrens war die Frage, ob für die Gesellschaft ein paritätisch nach dem MitbestG mit Arbeitnehmern und Anteilseignern besetzter Aufsichtsrat rechtmäßig besteht oder ob bei dieser nur ein zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern zu besetzender Aufsichtsrat gemäß dem DrittelbG zu bilden ist.

Der BGH stellte fest, dass ein Statusverfahren mit der Verschmelzung der betroffenen Gesellschaft auf eine andere Gesellschaft erledigt ist. Eine bereits eingelegte Rechtsbeschwerde werde unzulässig, wenn nicht ausnahmsweise ein berechtigtes Interesse an der Feststellung bestehe, dass die angefochtene Entscheidung den Rechtsbeschwerdeführer in seinen Rechten verletzt habe. Die Weiterführung des Statusverfahrens nach § 97 Abs. 2 S. 1, § 98 Abs. 1 AktG sei sinnlos, weil eine Entscheidung über die Besetzung des Aufsichtsrats der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin nicht mehr möglich sei. Mit dem Erlöschen infolge Verschmelzung (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG) ende die Organstellung des (mitbestimmten) Aufsichtsrats. Die Regelungen über die Mitbestimmungsbeibehaltung in § 325 UmwG würden für Verschmelzungen nicht gelten. Mit dem Wegfall des Organs entfalle auch der Verfahrensgegenstand eines Statusverfahrens nach § 98 AktG.


Eintragungsfähigkeit der Einzelvertretungsmacht eines „directors“

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Februar 2015 – 20 W 199/13

Das OLG Frankfurt am Main hat entschieden, dass die auf die Zweigniederlassung einer englischen private company limited by shares beschränkte Einzelvertretungsmacht eines im Übrigen gesamtvertretungsberechtigten directors im Handelsregisterblatt der Zweigniederlassung eintragungsfähig ist. Rechtsgrundlagen für die vorliegende Anmeldung seien §§ 13d Abs. 1, 13g Abs. 1 und 5 HGB i.V.m. § 39 GmbHG. Danach sei bei einer Zweigniederlassung von „Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ mit Sitz im Ausland jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer unter Beifügung der Urkunden über die Bestellung der Geschäftsführer in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift zur Eintragung in das Handelsregister der deutschen Zweigniederlassung anzumelden. Soweit in diesen Regelungen auf „Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ mit Sitz im Ausland Bezug genommen werde, entspreche es allgemeiner Auffassung, dass eine englische private company limited by shares der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung gleichgestellt sei. Der entsprechende director sei auch befugt, seine Bestellung zum lediglich in Bezug auf die Zweigniederlassung einzelvertretungsberechtigten director trotz der im Übrigen bei der Gesellschaft geltenden Gesamtvertretung durch die directors alleine anzumelden, da ihm in zulässiger Weise Einzelvertretungsbefugnis für die Angelegenheiten der Zweigniederlassung erteilt worden sei. Zu diesen Angelegenheiten gehörten auch die Anmeldungen zum Handelsregister der Zweigniederlassung.


Organhaftung für Zahlungseingänge auf debitorisch geführte Bankkonten nach Eintritt der Insolvenzreife

OLG Hamburg, Urteil vom 6. März 2015 – 11 U 222/13

Der Kläger als Insolvenzverwalter einer AG nimmt die Beklagten als Vorstände und Aufsichtsräte der Insolvenzschuldnerin auf die Erstattung von Einzahlungen auf zwei debitorisch geführte Bankkonten der Insolvenzschuldnerin in Anspruch, die nach der von ihm behaupteten Insolvenzreife der Insolvenzschuldnerin dort eingegangen sind.

Das OLG Hamburg bestätigte zunächst die Ansicht des Insolvenzverwalters, dass für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der Gesellschaft die Entgegennahme von Zahlungen auf ein debitorisch geführtes Konto eine verbotene Zahlung im Sinne des § 93 Abs. 3 S. 1 a.F. AktG darstellen kann. Dies erkläre sich daraus, dass durch einen Zahlungseingang auf einem debitorischen Konto das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Lasten ihrer Gläubigergesamtheit (und zum Vorteil der Bank) in gleicher Weise geschmälert werde wie bei einer Auszahlung aus dem Barvermögen der Gesellschaft. In beiden Fällen werde der Insolvenzmasse zugunsten der Befriedigung eines Gläubigers ein Betrag entzogen, der anderenfalls zur (teilweisen) Befriedigung aller Insolvenzgläubiger zur Verfügung gestanden hätte. Vorliegend seien jedoch sämtliche Forderungen gegenüber Drittschuldnern der Insolvenzschuldnerin bereits durch eine Globalabtretungsvereinbarung an eine Bank abgetreten gewesen. Sie hätten insofern der Insolvenzschuldnerin rechtlich und mit Rücksicht auf deren gegenüber der Bank bestehenden Verbindlichkeiten auch wirtschaftlich nicht mehr zugestanden und hätten damit schon vor den jeweiligen Zahlungsvorgängen nicht mehr Bestandteil des der Verpflichtung zum Masseerhalt unterliegenden Vermögens der Insolvenzschuldnerin sein können.

Die Haftung gemäß §§ 93 Abs. 2 Nr. 6 AktG, 64 GmbHG, 130a Abs. 1 HGB setzt aus Sicht des OLG Hamburg eine Masseschmälerung, also einen Abfluss von Mitteln aus der im Stadium der Insolvenzreife der Gesellschaft zugunsten der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhaltenden Vermögensmasse voraus. Da die gegenüber Drittschuldnern bestehenden Forderungen nicht Teil des geschützten Aktivvermögens der Insolvenzschuldnerin gewesen seien, seien die Beklagten zur Vermeidung einer Inanspruchnahme aus §§ 92 Abs. 3 S.1 a.F., 93 Abs. 3 Nr. 6 a.F., 116 S. 1 a.F. AktG dementsprechend auch nicht gehalten, die Globalabtretung zu Gunsten der Bank dadurch zu unterlaufen, dass sie die dieser zustehenden Forderungen auf ein neu eröffnetes, kreditorisch geführtes Bankkonto der Schuldnerin einzögen. Hierdurch hätte eine Masseverkürzung nämlich nicht verhindert, sondern allenfalls eine Massebereicherung herbeigeführt werden können, der das „Zahlungsverbot“ des § 92 Abs. 3 S. 1 a.F. AktG indes nicht diene.


Unstatthaftigkeit eines Spruchverfahrens nach „Frosta-Entscheidung“

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12. März 2015 – 12a W 3/15

Zum wiederholten Mal hat ein Oberlandesgericht ein Spruchverfahren zur Bestimmung einer angemessenen Abfindung nach einem regulären Delisting auch dann als unstatthaft eingestuft, wenn das Verfahren vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Oktober 2013 (II ZB 26/12 – „Frosta“) eingeleitet wurde (vgl. auch OLG Düsseldorf – I 26 W 20/12 [AktE], OLG München – 31 Wx 292/14, OLG Stuttgart – 20 W 8/14). Gründe des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit stünden der Zurückweisung des Antrags als unzulässig nicht entgegen.

Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats zum Vertragsschluss mit einem Vorstandsmitglied

OLG München, Urteil vom 5. März 2015 – 23 U 2384/14

Eine Aktiengesellschaft hatte beschlossen, von ihrem Vorstandsvorsitzenden gehaltene Geschäftsanteile an einer GmbH zu erwerben. Der entsprechende Aufsichtsratsbeschluss über die Zustimmung zu diesem Geschäft sah inhaltlich eine Berechtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden sowie eines weiteren Aufsichtsratsmitglieds „zur Unterzeichnung des Verkaufs bzw. der Abtretung der Anteile“ von dem Vorstandvorsitzenden vor. Die Parteien streiten nun darüber, ob in diesem Beschluss die erforderliche Zustimmung zum Abschluss des Geschäfts mit dem Vorstandsvorsitzenden gesehen werden könne.

Das OLG München führte aus, dass bei Rechtsgeschäften mit einem Vorstandsmitglied der Aufsichtsrat als Organ nach § 112 Abs. 1 AktG die Aktiengesellschaft vertrete. Die erforderliche Willensbildung des Aufsichtsrats erfolge durch einen ausdrücklichen, sich auf die wesentlichen Punkte des mit dem Vorstand abzuschließenden Rechtsgeschäfts beziehenden Beschluss nach § 108 Abs. 1 AktG. Der in diesem Beschluss zum Ausdruck kommende einheitliche oder mehrheitliche Wille des Aufsichtsrats der abstimmenden Aufsichtsratsmitglieder stelle den Willen des Aufsichtsrats dar. Dieser Vorgang der einheitlichen Willensbildung könne nicht durch die Entscheidung eines Aufsichtsratsmitglieds oder des Aufsichtsratsvorsitzenden ersetzt werden, weil diese ihren Willen abweichend vom Aufsichtsrat bilden könnten. Sofern der Aufsichtsrat das Aushandeln eines Vertrages einem seiner Mitglieder überlasse, habe er daher anschließend über das Verhandlungsergebnis Beschluss zu fassen. Einzelne Aufsichtsratsmitglieder könnten nur als Erklärungs-, nicht aber als Willensvertreter tätig werden. Entsprechende Aufsichtsratsbeschlüsse könnten aus Sicht des OLG München nicht stillschweigend gefasst werden. Liege allerdings ein ausdrücklich gefasster Beschluss vor, so könne seine Auslegung dazu führen, dass ein über den ausdrücklichen Beschlusswortlaut hinausgehender Erklärungsinhalt zu berücksichtigen sei. Hiervon ging das OLG München aufgrund der Zeugenaussagen zweier Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft aus und bejahte im Ergebnis den wirksamen Abschluss eines Kaufvertrags über die Geschäftsanteile auf der Grundlage des fraglichen Beschlusses.


Keine Schadensersatzansprüche wegen gescheitertem VW-Übernahmeversuch

OLG Stuttgart, Urteil vom 26. März 2015 – 2 U 102/14

Das OLG Stuttgart hat in dieser Entscheidung die Ansprüche diverser Hedgefonds um Schadensersatzforderungen gegen die Porsche Holding SE im Rahmen des gescheiterten VW-Übernahmeversuchs zurückgewiesen (vgl. auch bereits die Vorinstanz LG Stuttgart, Urteil vom 17. März 2014 ‑ 28 O 183/13 und Noerr Newsletter Ausgabe April 2014). Im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH hat das OLG Stuttgart zunächst entschieden, dass § 20a WpHG kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sei.

Auch eine Haftung aus § 826 BGB wegen sittenwidrigen Verhaltens hat das OLG Stuttgart abgelehnt. Es führte aus, dass Informationen, die ein Marktteilnehmer dem Kapitalmarkt gibt, auch außerhalb von Prospekten und Ad-hoc-Mitteilungen keinen falschen Tatsacheneindruck beim Anleger entstehen lassen dürfen. Für die Annahme der Sittenwidrigkeit einer solchen Irreführung genüge allerdings weder der Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift noch die Tatsache eines eingetretenen Vermögensschadens. Die Verwerflichkeit könne bei einer direkt vorsätzlichen unlauteren Beeinflussung des Sekundärmarktpublikums durch eine grob unrichtige Ad-hoc-Mitteilung ‑ an der es vorliegend fehle ‑ indiziert sein und sei auch bei einer sonstigen Mitteilung an den Kapitalmarkt nicht ausgeschlossen. Jedoch bedürfe es auch im Bereich der Kapitalmarktinformation immer einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände. In diese sei neben dem Verhalten des Beklagten auch dasjenige des Klägers sowie die Bewertung seines Geschäftsmodells einzustellen.

Das OLG Stuttgart stellte darüber hinaus klar, dass formlose Mitteilungen an den Kapitalmarkt keinem strengeren Haftungsmaßstab unterworfen werden könnten als fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen. In Fällen falscher formloser Mitteilungen an den Kapitalmarkt seien daher an eine Haftung aus § 826 BGB strengere Anforderungen zu stellen als im Falle falscher Ad-hoc-Mitteilungen. Formlosen Mitteilungen werde am Kapitalmarkt ein geringeres Gewicht beigemessen als Ad-hoc-Mitteilungen. Der Gesetzgeber habe die Form der Ad-hoc-Mitteilungspflicht geschaffen, um einem besonderen Mitteilungsbedürfnis des Marktes Rechnung zu tragen. Durch diese Vorgabe begründen Ad-hoc-Mitteilungen ein besonderes Marktvertrauen in die Richtigkeit des Verlautbarten.

Pressemitteilung des OLG Stuttgart


Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für Kartellrechtsbußen des Unternehmens („Schienenkartell“)

LArbG Düsseldorf, Teilurteile und Beschluss vom 20. Januar 2015 – 16 Sa 458/14, 16 Sa 459/14, 16 Sa 460/14

Das LArbG Düsseldorf hat in seinen Entscheidungen vom 20. Januar 2015 Schadensersatzansprüche einer zum Thyssen-Konzern gehörenden Gesellschaft gegen einen der Geschäftsführer abgelehnt. Gegen die Gesellschaft waren vom Bundeskartellamt Bußgelder wegen Beteiligung am so genannten „Schienenkartell“ in Höhe von insgesamt mehr als EUR 190 Mio. verhängt worden. Die Gesellschaft hatte u.a. auf Erstattung der Kartellbußen durch den Geschäftsführer geklagt.

Das LArbG hat einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2 GmbHG verneint. Auch wenn man eine Pflichtverletzung seitens des Geschäftsleiters durch Verstöße gegen das europäische und deutsche Kartellrecht sowie einen Schaden der Gesellschaft bejahen würde, könne die Gesellschaft den Beklagten für die nach § 81 GWB gegen sie persönlich verhängten Unternehmenskartellbußen nicht im Innenverhältnis in Regress nehmen.

Auch die Verhängung von Unternehmensbußgeldern basiere auf dem Schuldprinzip. Insbesondere sei auch gegenüber juristischen Personen der Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung zu berücksichtigen. Die Unternehmensgeldbuße habe ausdrücklich den Zweck, das Unternehmen selbst zu treffen. Der darin enthaltene Vorwurf sei der eines Organisationsverschuldens in Form einer nicht ausreichenden Kontrolle der Organe. Unternehmen und Unternehmensträger sollten durch fühlbare Einbußen zu einer angemessenen Kontrolle angehalten werden. Das Unternehmen solle sich also nicht aus der Verantwortung ziehen können. Das wäre aber der Fall, wenn es die Geldbuße an die für sie handelnden Personen im Rahmen der Innenhaftung weiterreichen könnte. Dies gelte auch und gerade für Kartellbußen, die gegen ein Unternehmen verhängt werden. Die Funktion dieser Geldbuße liege darin, die Unternehmen als Normadressaten zu veranlassen, diese einzuhalten. Diese Sanktionswirkung könne nur eintreten, wenn es dem Unternehmen verwehrt sei, dieses Bußgeld im Innenverhältnis auf die für sie handelnden Personen abzuwälzen. Nur durch die finale Bußgeldbelastung bei dem Unternehmen sei dem Sinn und Zweck des Kartellbußgeldrechts mit der Aufteilung der innergesellschaftlichen Verantwortungssphären Rechnung getragen.

Pressemitteilung des LArbG Düsseldorf


Berücksichtigung ausländischer Arbeitnehmer bei Schwellenwerten der Mitbestimmung

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16. Februar 2015 – 3-16 O 1/14

Bislang war es verbreitete Ansicht, dass die für die Anwendung der Regeln über die Unternehmensmitbestimmung maßgeblichen Schwellenwerte die im Ausland beschäftigten Mitarbeiter, insbesondere auch die ausländischer Konzernunternehmen, nicht zu berücksichtigen seien. Von dieser Ansicht hat das LG Frankfurt am Main nun im Rahmen des vorliegenden Statusverfahrens nach § 98 AktG Abstand genommen. Das betroffene Unternehmen, die Deutsche Börse AG, beschäftigte im Zeitpunkt der Entscheidung ca. 1.600 Arbeitnehmer in Deutschland sowie ca. 1.700 Arbeitnehmer im europäischen Ausland. Der Aufsichtsrat war zum Zeitpunkt der Einleitung des Statusverfahrens nach dem Drittelbeteiligungsgesetz aus zwölf Mitgliedern der Anteilseigner und sechs Mitgliedern der Arbeitnehmer zusammengesetzt.

Das LG Frankfurt am Main stellte nun fest, dass sich die Gesellschaft auch die im Ausland bei ihren Tochtergesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer zurechnen lassen müsse, so dass sie in mitbestimmungsrechtlicher Hinsicht mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftige. Aus diesem Grunde sei der Aufsichtsrat nicht lediglich zu einem Drittel, sondern zur Hälfte mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen. Der Wortlaut des Mitbestimmungsgesetzes – und auch des Drittelbeteiligungsgesetzes – nehme an keiner Stelle im Ausland Beschäftigte von der Mitbestimmung aus. Auch enthielten weder das Mitbestimmungsgesetz noch das Drittelbeteiligungsgesetz eine diesbezügliche Regelung, sondern verwiesen hinsichtlich der zu berücksichtigenden Arbeitnehmer auf die Regelung über den Konzern in § 18 Abs. 1 AktG (§ 5 Abs. 1 MitbestG, § 2 DrittelbG). Hinsichtlich dieser Regelung sei aber nicht fraglich, dass zum Konzern auch ausländische Unternehmen zählen könnten. Einen eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Konzernbegriff gebe es nicht, maßgeblich seien allein die Regelungen des Aktiengesetzes. Zwar knüpfe das Betriebsverfassungsgesetz im Gegensatz zum Mitbestimmungsgesetz nicht an den Wirtschaftskörper „Unternehmen“, sondern an die Produktionseinheit „Betrieb“ an. Im Gegensatz zur betrieblichen Mitbestimmung habe die Unternehmensmitbestimmung aber die Aufgabe, die mit der Unterordnung der Arbeitnehmer unter fremde Leitungs- und Organisationsgewalt in größeren Unternehmen verbundene Fremdbestimmung durch die institutionelle Beteiligung an den unternehmerischen Entscheidungen zu mildern und die ökonomische Legitimation der Unternehmensleitung durch eine soziale zu ergänzen. Daraus folge jedoch lediglich, dass die Unternehmensmitbestimmung mindestens so weit zu gehen habe wie die betriebliche Mitbestimmung und somit keinesfalls enger gefasst sein könne. Für die Kammer sei es deshalb nicht zweifelhaft, dass es auch keinen eigenen mitbestimmungsrechtlichen Konzernbegriff gebe und ausländische Konzernunternehmen bei der Frage, wie sich ihr Aufsichtsrat zusammenzusetzen habe, zu berücksichtigen seien. Jedenfalls bei in der Europäischen Union gelegenen Tochterunternehmen, wie es vorliegend der Fall sei, würde eine andere Behandlung der im europäischen Ausland gelegenen Unternehmen auch einen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) darstellen und letztlich zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Genau eine solche sei gegeben wenn die Unternehmensmitbestimmung nicht in grenzüberschreitend tätigen Konzernen gelten sollte.

Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren Beitrag Berücksichtigung von Arbeitnehmern ausländischer Betriebe in der Unternehmensmitbestimmung.

Gesetzgebung:

Frauenquote

Am 27. März 2015 hat nun auch der Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend passieren lassen. Das Gesetz soll zeitnah durch Bundespräsident Gauck unterzeichnet und nach seiner Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Die feste Quote in Höhe von 30 Prozent wird sodann sukzessive von den börsennotierten und paritätisch mitbestimmungspflichtigen Unternehmen ab 1. Januar 2016 erfüllt werden müssen. Diejenigen Unternehmen, die mitbestimmungspflichtig oder börsennotiert sind, sollen sich erstmals bis 30. September 2015 selbst Zielvorgaben für den Anteil von Frauen in Vorstand, Aufsichtsrat und den obersten zwei Managementebenen setzen. Sie haben dann bis 30. Juni 2017 Zeit, diese erstmalig gesetzten Zielvorgaben zu erreichen (vgl. auch Noerr Newsletter Ausgabe März 2015).

Pressemitteilung des Bundesrats, Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz


Aktienrechtsnovelle 2014

Am 26. März 2015 hat die erste Lesung des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2014) im Bundestag stattgefunden (vgl. auch Noerr Newsletter Ausgabe März 2015 zum Inhalt des Entwurfs). Der Entwurf wurde zu weiteren Beratungen federführend an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Am 6. Mai 2015 wird dort nach derzeitiger Planung eine öffentliche Sachverständigenanhörung zu den Regelungen des Gesetzentwurfs stattfinden.

EU Insolvenzrecht

Der Rat der EU hat am 12. März 2015 der Neufassung der EU Insolvenzverfahrensverordnung (EuInsVO, Verordnung (EG) Nr. 1346/2000) zugestimmt. Das EU Parlament wird voraussichtlich im kommenden Monat die Reform verabschieden. Ausweislich der Pressemeldung des Rats war mit dem EU Parlament bereits Ende des vergangenen Jahres ein Kompromiss über die Regelungen erzielt worden. Es ist vorgesehen, dass die Regelungen der neuen EU Insolvenzverfahrensverordnung unmittelbar in den Mitgliedsländern zwei Jahre nach ihrer Veröffentlichung im EU Amtsblatt Geltung erlangen werden.

Die EU Insolvenzrechtsreform regelt insbesondere eine Erweiterung des Geltungsbereichs der Verordnung auf Verfahren, die vor einer Insolvenz auf eine Sanierung des Schuldners gerichtet sind, und enthält Regelungen zur Koordination von Konzerninsolvenzen. Regelungen zur Koordination von Konzerninsolvenzen befinden sich in Deutschland mit dem Gesetzentwurf zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen aus dem vergangenen Jahr ebenfalls bereits in der parlamentarischen Entscheidungsphase (vgl. auch Noerr Newsletter Ausgabe März 2014).

Pressemitteilung des EU Rats


UK: Small Business, Employment & Enterprise Act 2015

Ende März ist in Großbritannien das Gesetzgebungsverfahren zum Small Business, Employment & Enterprise Act 2015 abgeschlossen worden (vgl. auch Noerr Newsletter Ausgabe August 2014). Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht enthält das Gesetz eine Reihe von Regelungen zur Verbesserung der Transparenz in UK Kapitalgesellschaften (Part 7), darunter die folgenden Regelungen:

  • Nicht-börsennotierte Gesellschaften müssen ab Januar 2016 ein Register über diejenigen Personen führen, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft haben (people with significant control over the company ‑ PSC). PSC sollen in diesem Sinne jedenfalls solche Personen sein, die mehr als 25 Prozent der Anteile bzw. der Stimmrechte halten, die die Möglichkeit haben die Mehrheit des Managements der Gesellschaft abzusetzen oder zu ernennen oder anderweitig die Möglichkeit haben, Kontrolle über die Gesellschaft oder sein Management auszuüben.
  • Ab Ende Mai 2015 ist es UK Kapitalgesellschaften nicht mehr erlaubt, bearer shares auszugeben. Es wird ein neun-monatiger Übergangszeitraum eingeräumt, in dem bereits ausgegebene Inhaberanteile in registered shares, Namenanteile, umgetauscht werden können. Wurden Inhaberanteile innerhalb dieses Zeitraums nicht umgetauscht, werden die entsprechenden Anteile eingezogen.
  • Ab Oktober 2015 wird es UK Kapitalgesellschaften nicht mehr möglich sein, Gesellschaften als directors von UK Gesellschaften zu ernennen. Ausschließlich natürliche Personen sollen ein solches Amt innehaben können. Innerhalb einer Frist von einem Jahr haben Gesellschaften einen entsprechenden Austausch von corporate directors vorzunehmen. Erfolgt kein solcher Austausch wird das director-Amt mit Ablauf der Frist beendet. Die Regierung kann einzelne Ausnahmen vom Verbot von corporate directors vorsehen.
  • Auch sieht der Act vor, dass die Hauptpflichten (general duties) eines directors zukünftig auch auf shadow directors Anwendung finden sollen.

Pressemitteilung (englisch) der britischen Regierung, Explanatory Notes zum Gesetz 


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