Flexibles Arbeiten mittels „Job Sharing“
Digitalisierung und Industrie 4.0 machen nicht nur mit hoher Geschwindigkeit eine Veränderung etablierter Geschäftsmodelle (Business Transformation) und entsprechende Qualifikationsanpassungen der Mitarbeiter erforderlich. Sie fördern auch den Wunsch nach flexibleren Arbeitsmodellen. Teil vieler Recruiting-Anstrengungen (vgl. unseren Beitrag vom 09.01.2019) ist daher die Analyse von Stellen und Aufgabenprofilen danach, welche Stellen ggf. zwar nicht von einem Teilzeitbeschäftigten, aber anstelle eines Vollzeitbeschäftigten durch mehrere Teilzeitmitarbeiter besetzt werden können. Denn Teilzeitmodelle werden mit zunehmenden Work-Life-Balance-Forderungen vermehrt nachgefragt. Was im Medizin- und Pflegebereich bereits weiter verbreitet ist, erhält dadurch auch zunehmend in andere Branchen Einzug. Die Rede ist vom sog. „Job Sharing“.
Was ist Job Sharing?
Beim Job Sharing wird nicht einfach eine Vollzeitstelle in zwei Teilzeitstellen gespalten und dann von zwei Teilzeitbeschäftigten unabhängig voneinander nach den Vorgaben des Arbeitgebers wahrgenommen. Das wäre sog. „Job Spliting“.
Job Sharing setzt auf mehr Eigenverantwortlichkeit und Kooperation der Arbeitnehmer, ermöglicht so aber gleichzeitig auch mehr Flexibilität: Im Ergebnis wählt der Arbeitgeber hier lediglich die Teilzeitarbeitnehmer aus, die dann Lage und Verteilung der Arbeitszeit - orientiert an den betrieblichen Bedürfnissen - untereinander abstimmen. Nur wenn sich die Job Sharer nicht einigen können, entscheidet der Arbeitgeber kraft Direktionsrechts.
Bereits beim Jobsharing binden sich die Teilnehmer also relativ stark aneinander. Noch weitergehend ist diese Bindung beim sog. „Job Pairing“, bei dem sich die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber als feste Partner eines Job Sharing-Modells anbieten und dementsprechend eine gemeinsame Arbeitsleistung erbringen.
Die zunehmende Verbreitung des Job Sharing und Job Pairing zeigt sich zum Beispiel durch Plattformen wie „Tandemploy”, auf denen Teilzeitinteressierte sog. „Tandempartner” finden können, mit denen sie sich anschließend zusammen auf einen Arbeitsplatz bei kooperierenden Unternehmen bewerben.
Gesetzliche Basis
Anders als in vielen anderen Bereichen der Arbeitswelt 4.0 besteht für das Job Sharing bereits eine gesetzliche Basis. Gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 TzBfG können Arbeitgeber und Arbeitnehmer nämlich vereinbaren, dass sich mehrere Arbeitnehmer die Arbeitszeit an einem Arbeitsplatz teilen. Daran wird deutlich: Beim Job Sharing wird Arbeitszeit und nicht der Arbeitsplatz geteilt; ein Arbeitsplatz wird vielmehr alternierend von zwei oder mehr Job Sharern besetzt. Dabei sind die Arbeitnehmer rechtlich betrachtet Teilzeitarbeitnehmer i.S.d. TzBfG. Jeder von ihnen hat ein eigenes Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber. Sie sind lediglich verpflichtet, den vereinbarten Arbeitsplatz in Abstimmung mit dem oder den anderen Job Sharern alternierend zu besetzen.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Job Sharing-Modelle bieten den teilnehmenden Arbeitnehmern allerdings nicht nur vergrößerte Freiheiten, sondern auch entsprechende Verantwortung:
- Rechtzeitige Arbeitszeitplanung: Die Job Sharer sind verpflichtet, dem Arbeitgeber ihre Arbeitszeitplanung rechtzeitig bekannt zu geben. Für ihre inhaltliche Planung gilt: Die Grenzen des ArbZG gelten beim Job Sharing individuell für jeden Arbeitnehmer. Die Arbeitszeiten der Job Sharer addieren sich nicht.
- Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: Der von den Job Sharern aufgestellte Plan ist auch maßgeblich für eine etwaige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Steht die Zeiteinteilung bei Beginn der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung noch nicht fest oder dauert die Entgeltfortzahlungsperiode länger als die bisherige Zeiteinteilung gediehen war, richtet sich die Entgeltfortzahlung nach dem „gewöhnlichen Verlauf der Dinge“, d.h. nach dem bisherigen arbeitstäglichen Durchschnitt der Arbeitszeit.
- Pflicht zur gegenseitigen Vertretung: Problematisch bei einem Job Sharing-Modell sind natürlich vor allem Verhinderungsfälle. Das müssen Unternehmen bei Einführung derartiger Modelle beachten. Denn die Partner eines Job Sharing-Modells sind nicht generell zur gegenseitigen Vertretung verpflichtet.
Im Grundsatz gilt: Ist ein Partner verhindert, muss der andere der Vertretung jeweils im Einzelfall zustimmen (§ 13 Abs. 1 S. 2 TzBfG). Das ist sehr umständlich. Denn im Ergebnis bedeutet es, dass jede Vertretung eine gesonderte Vereinbarung benötigt. Eine generelle Vorabvereinbarung der gegenseitigen Vertretung ist gemäß § 134 BGB nichtig.
Etwas anderes gilt nur, wenn im Arbeitsvertrag ausnahmsweise eine generelle Pflicht zur gegenseitigen Vertretung für den Fall des Vorliegens dringender betrieblicher Gründe und einer Zumutbarkeit im Einzelfall voraus vereinbart wird (§ 13 Abs. 1 S. 3 TzBfG). Problematisch ist allerdings auch hier die Notwendigkeit der Durchführung einer am Einzelfall orientierten Interessenabwägung, die sich an Billigkeitsgesichtspunkten orientieren und den unbestimmten Begriff des betrieblichen Erfordernisses konkretisieren muss.
Größere Spielräume ermöglichen lediglich tarifvertragliche Regelungen (§ 13 Abs. 4 TzBfG). Hier kann insbesondere auch eine generelle Vertretungspflicht vorgesehen werden.
- Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Weiter beachten müssen Unternehmen, dass die Partner eines Job Sharing-Modells nicht auf Gedeih und Verderb aneinander gebunden sind. Scheidet ein Partner aus dem Job Sharing aus, berechtigt dies den Arbeitgeber nicht zur Kündigung des Arbeitshältnisses mit dem anderen Partner (§ 13 Abs. 2 TzBfG). Das kann operativ erhebliche Schwierigkeiten auslösen, wenn die Stelle als Vollzeitstelle gedacht war, nun aber faktisch nur noch in Teilzeit besetzt ist, ohne dass das Unternehmen diesen Zustand durch Kündigung des verbleibenden Arbeitsverhältnisses beenden kann. Letztlich bedeutet dies nichts anderes, als dass eine Suche nach einem neuen Job Sharing-Partner erforderlich werden kann.
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Bei der Einführung eines Job Sharing-Modells hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Etwas anderes gilt aber hinsichtlich der näheren zeitlichen Ausgestaltung des Job Sharing. Hier ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu beachten. Führen Vertretungsregelungen im Rahmen des Job Sharing zu Mehrarbeit, greift das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein.
Fazit
Teilzeitarbeit - auch in Form des Job Sharing - ist zumeist durch Bedürfnisse und Wünsche der Arbeitnehmer bedingt. Denn Teilzeitbeschäftigungen können auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten werden und sorgen für eine bessere Work-Life-Balance. Unternehmen können mit dem Modell des Job Sharing allerdings nicht nur flexibler auf Teilzeitwünsche reagieren. Sie müssen dabei auf den ersten Blick vor allem im Ergebnis keine Vollzeitstellen aufgeben, wenn z.B. von vorneherein nur Tandem-Stellen geschaffen werden. Dennoch lohnt unternehmensseitig bei einer Entscheidung für derartige Modelle immer auch ein Blick in die Zukunft. Denn löst einer der Job Sharing-Partner das Team durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf, bleibt der Arbeitgeber ggf. (vorübergehend) auf einer Teilzeitstelle „sitzen“.