Aufsichtsmitteilung der BaFin zur Versicherungsvermittlung durch Gruppenversicherungsnehmer
Mit Urteil vom 29. September 2022 (C-633/20) entschied der EuGH, dass Versicherungsvermittler auch eine juristische Person sein kann, deren Tätigkeit darin besteht, Kunden gegen Entgelt eine freiwillige Mitgliedschaft in einer zuvor von ihr bei einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Gruppenversicherung anzubieten. Als Reaktion auf das EuGH-Urteil hat die BaFin zusammen mit der IHK am 04.07.2023 eine Aufsichtsmitteilung veröffentlicht. Darin konkretisieren BaFin und IHK anhand von Beispielen, in welchen Fällen die Versicherungsnehmerin einer Gruppenversicherung als Versicherungsvermittler einzuordnen ist.
Das EuGH-Urteil
Bisher gingen sowohl die BaFin als auch die IHK davon aus, dass die Versicherungsnehmerin einer Gruppenversicherung nicht zugleich Versicherungsvermittler ist. Dies wurde damit begründet, dass bei der echten Gruppenversicherung nur ein einheitlicher Versicherungsvertrag besteht und zwischen den versicherten Personen und dem Versicherer gerade kein einzelner Versicherungsvertrag abgeschlossen wird.
Der EuGH entschied nun, dass die Versicherungsnehmerin eines Gruppenversicherungsvertrages als Versicherungsvermittler tätig ist, wenn die nachfolgenden Kriterien kumulativ erfüllt sind:
- Die Versicherungsnehmerin muss ein Entgelt erhalten bzw. ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgen.
- Die Mitgliedschaft in dem Gruppenversicherungsvertrag muss für den Kunden der Gruppenversicherungsnehmerin freiwillig sein.
- Gegenüber dem Versicherungsunternehmen müssen die versicherten Personen das Recht haben Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen.
Die Aufsichtsmitteilung der BaFin und der IHK
Das Urteil des EuGH betrifft bereits bestehende und künftig neu abzuschließende echte Gruppenversicherungsverträge. Grundsätzlich definieren BaFin und IHK den freiwilligen Beitritt zur Gruppenversicherung gegen Entgelt als Versicherungsvermittlung, da in diesem Fall ein auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Geschäftsmodell vorliegt. Dagegen liegt keine Versicherungsvermittlung der Versicherungsnehmerin eines Gruppenversicherungsvertrags vor, wenn die Versicherungsnehmerin kein Entgelt erhält (Entgeltlichkeit) oder der Beitritt zur Gruppenversicherung nicht zur Disposition der versicherten Person steht (Freiwilligkeit).
Entgeltlichkeit
Nach Ansicht der BaFin und der IHK ist die Entgeltlichkeit gegeben, wenn das wirtschaftliche Interesse im Vordergrund steht und die Gruppenspitze mit Gewinnerzielungsabsicht handelt. Die reine Erstattung von Aufwänden soll nicht als Entgelt gelten. Um zu ermitteln, ob ein wirtschaftliches Interesse der Gruppenversicherungsnehmerin besteht, wird hilfsweise darauf abgestellt, ob die Vermittlung von Versicherungsschutz der Hauptzweck der Tätigkeit ist oder bloß einen Nebenzweck darstellt.
Entgeltlichkeit liegt nach Ansicht von BaFin und IHK etwa vor, wenn ein Mietwagenunternehmen Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung ist, die eine Insassenunfallversicherung anbietet und der Mietwagenunternehmer für jeden Beitritt ein Entgelt erhält. Demgegenüber fehlt die Entgeltlichkeit, wenn z.B. der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer eine Berufsunfähigkeitsversicherung in Form einer Gruppenversicherung abschließt und der Arbeitgeber hierfür nur die ihm tatsächlich entstandenen Kosten in Form einer Aufwandserstattung, nicht aber einen Teil der Beiträge erhält. Hier hat der Arbeitgeber kein eigenes wirtschaftliches Interesse am Beitritt der Arbeitnehmer zur Gruppenversicherung und ist somit in den Augen der BaFin und der IHK kein Versicherungsvermittler. Dass ein wirtschaftliches Interesse darin liegen kann, als Arbeitgeber attraktiver zu sein, muss hier mit Hinweis darauf, dass die Vermittlung der Versicherung nur einen Nebenzweck darstellt, abgelehnt werden.
Freiwilligkeit
Die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft im Gruppenversicherungsvertrag beurteilen die BaFin und die IHK danach, ob es sich bei der Versicherung um eine Pflichtversicherung handelt oder der Beitritt zum Gruppenversicherungsvertrag automatisch z.B. durch einer Regelung in der Satzung eines Vereins erfolgt. In diesen Fällen erfolgt der Beitritt zur Gruppenversicherung nicht freiwillig.
Wird z.B. eine Pflichtversicherung für Notare als echte Gruppenversicherung ausgestaltet, liegt das Kriterium der Freiwilligkeit nicht vor, sodass die Kammer als Versicherungsnehmerin nach Ansicht der BaFin und der IHK nicht Versicherungsvermittlerin ist. Gleiches gilt für Vereine, die beitretende Mitglieder automatisch in eine Rechtsschutzversicherung einbeziehen. Hingegen bejaht die BaFin die Freiwilligkeit, wenn z.B. ein Brillengeschäft beim Kauf einer Brille den Beitritt zu einem Gruppenversicherungsvertrag für Glasbruch anbietet. Dies trifft gleichermaßen auf die zuvor erwähnte Insassenunfallversicherung zu, die im Zusammenhang mit einem Mietwagen angeboten wird.
Anspruch der Versicherten
Als drittes Kriterium erwähnen BaFin und IHK, dass die versicherten Personen das Recht haben müssen, gegenüber dem Versicherungsunternehmen Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Näheres wird dazu nicht ausgeführt. Diese Voraussetzung wird bei Gruppenversicherungen schon wegen der gesetzlichen Grundkonzeption in § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG in der Regel erfüllt sein.
Empfehlung
Wer Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung ist, sollte eingehend prüfen, ob die vom EuGH statuierten Voraussetzungen auf das eigene Geschäft zutreffen. Ist das der Fall, stellt sich die Anschlussfrage, ob der Versicherungsnehmer einer Erlaubnis nach § 34d GewO bedarf oder ob ausnahmsweise einer der Befreiungstatbestände einschlägig ist. Beides wird stets von der konkreten Fallgestaltung abhängen. Die Aufsichtsmitteilung der BaFin und der IHK liefern hier lediglich Auslegungshilfen.