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Die Rolle des DMA für App-Entwickler

30.04.2024

Die Europäische Kommission („Kommission“) benannte im September 2023 Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft als Gatekeeper. Grundlage dafür sind die insgesamt 22 von diesen sechs Unternehmen betriebenen sog. zentralen Plattformdienste (Core Platform Services - „CPS“). Die CPS zeichnen sich allesamt dadurch aus, dass sie als Schnittstelle zwischen einer Vielzahl von Endnutzern einerseits und gewerblichen Nutzern andererseits fungieren. Zu den CPS zählen unter anderen auch Betriebssysteme und App-Stores, wie sie von Apple und Google betrieben werden. App-Entwickler sind von diesen insofern abhängig, als dass sie ihre Kunden größtenteils nur über diese App-Stores oder Betriebssystem erreichen. Dementsprechend sind App-Entwickler darauf angewiesen, dass ihnen die Gatekeeper einen möglichst offenen und diskriminierungsfreien Zugang zu den Kunden gewähren.

Zum 7. März 2024 – dem sog. DMA-Compliance Day – mussten die Gatekeeper die DMA-Verpflichtungen umsetzen und (regelmäßig zu aktualisierende) Berichte erstellen, in denen sie darlegen, wie sie ihren DMA-Verpflichtungen nachkommen. Die Kommission hat die Berichte in einer nicht-vertraulichen Fassung auf ihrer Webseite veröffentlicht.

Anknüpfend an diese Berichte hat die Kommission bereits am 25. März 2024 – also keine 20 Tage nach dem DMA-Compliance Day – offizielle Verfahren wegen mangelnder Umsetzung der DMA-Verpflichtungen eingeleitet. So wird Apple und Google vorgeworfen, dass die Ausgestaltungen ihrer App-Stores nicht den Anforderungen des DMA entsprechen (siehe Pressemitteilung Kommission). Diese und die anderen Verfahren können mit erheblichen Bußgeldern für die Gatekeeper enden. Darüber hinaus müssen die Gatekeeper damit rechnen, dass betroffene Nutzer wie App-Entwickler auch Gerichtsverfahren vor nationalen Gerichten auf Basis der DMA-Verpflichtungen anstreben (private Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzklagen – weitere Hintergrundinformationen dazu finden Sie in unserem Beitrag auf Noerr News).

Welche Verpflichtungen entfalten eine besondere Relevanz für App-Entwickler?

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche DMA-Verpflichtungen für Gatekeeper und deren Einhaltung besondere Relevanz für App-Entwickler haben.

Der DMA enthält in Art. 5-7 DMA über zwanzig Verpflichtungen, von denen viele zumindest mittelbar auch Auswirkungen für App-Entwickler entfalten. Im Folgenden beleuchten wir die drei wichtigsten Verpflichtungen, die besonders weitreichende Änderungen der Rechte und Möglichkeiten von App-Entwicklern bewirken dürften.

Gestattung von Steering-Maßnahmen – Art. 5 Abs. 4 DMA

So sind Gatekeeper insbesondere im Rahmen ihrer Vermittlungsleistungen und ihrer Betriebssysteme dazu verpflichtet, Maßnahmen von App-Entwicklern zuzulassen, mit denen sie um Endnutzer werben. Bedeutend ist dabei, dass diese Werbung auch Produkte und Konditionen betreffen können, die über die CPS des Gatekeepers vom App-Entwickler gar nicht angeboten werden. Insbesondere Verpflichtungen für App-Entwickler, Angebote exklusiv nur über die CPS des Gatekeepers anzubieten, sollen dadurch unterbunden werden.

Der DMA zielt damit darauf ab, Abhängigkeiten von App-Entwicklern zu verringern, indem diese ihre Endnutzer auch von den CPS der Gatekeeper „weglenken“ können (sog. Steering-Maßnahmen).

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Kommission Apple wegen vergleichbarem Verhalten kürzlich (noch vor dem DMA-Compliance Day) auf Basis kartellrechtlicher Normen ein Bußgeld von über 1,8 Mrd. Euro auferlegt hat (Pressemitteilung Kommission). Im konkreten Fall untersagte Apple den Entwicklern für Musik-Streaming-Diensten, auf günstigere Angebote außerhalb des Apple-Ökosystems hinzuweisen und diese zu bewerben.

Bedeutung für App-Entwickler: App-Entwickler haben einen Anspruch darauf, ihre Angebote und alternative (insbesondere günstigere) Vertriebskanäle gegenüber Endnutzern über die CPS eines jeden Gatekeepers zu kommunizieren.

Verpflichtung zur Gestattung der Installation und Nutzung von Software Dritter – Art. 6 Abs. 4 DMA

Des Weiteren ist Art. 6 Abs. 4 DMA relevant. Demnach müssen Gatekeeper, die ein Betriebssystem als CPS anbieten, die effektive Nutzung von Apps und App-Stores anderer Anbieter gewährleisten. Hierzu bedarf es eines transparenten und diskriminierungsfreien Zugangs zu der technischen Programmierschnittstelle des Betriebssystems für App-Entwickler, so dass die Apps auf dem jeweiligen Betriebssystem auch installiert werden können. Darüber hinaus müssen Gatekeeper auch das sogenannte side-loading zulassen. Darunter ist die Möglichkeit zu verstehen, eine App auch über alternative Wege als über die offiziellen Appstores des Betriebssystems zu beziehen und zu installieren.

Der DMA bezweckt mit der Vorschrift die Öffnung von geschlossenen Geschäftsmodellen, bei denen bislang die Nutzung des Betriebssystems an die Verwendung des eigenen App-Stores geknüpft wurde. Die Vorschrift soll demnach den Wettbewerb zwischen App-Stores auf allen Betriebssystemen eröffnen und einen kostengünstigen sowie einfachen Vertrieb für die App-Entwickler ermöglichen.

Bedeutung für App-Entwickler: App-Entwickler haben einen Anspruch gegenüber (CPS-)Betriebssystemen darauf, ihre Apps über andere / eigene App-Stores bzw. durch andere Vertriebskanäle zu vertreiben, ohne Einschränkungen hinsichtlich der Nutzung des Betriebssystems zu unterliegen.

Interoperabilitätsverpflichtungen für Betriebssysteme – Art. 6 Abs. 7 DMA

Ebenfalls von größerer Relevanz für App-Entwickler ist die Vorschrift des Art. 6 Abs. 7 DMA. Gatekeeper sind demnach hinsichtlich als CPS benannte Betriebssysteme und virtueller Assistenten verpflichtet, den Austausch von unterschiedlichen Informationen mit anderer Soft- und Hardware kostenlos zu gewährleisten (sog. Interoperabilität). So müssen Gatekeeper beispielsweise technisch sicherstellen, dass App-Entwickler Zugriff auf alle Funktionen eines Betriebssystems haben. Dies soll unter anderem sicherstellen, dass App-Entwickler alternative Apps zu denen des Betreibers des Betriebssystems mit vergleichbaren Funktionen anbieten können.

Insofern zielt die Interoperabilität darauf ab, Wettbewerb auf Ebene der Apps zu ermöglichen. Ohne die Interoperabilität könnte ein Gatekeeper ansonsten eine mögliche „Doppelrolle“ als Betreiber des CPS und einziger Anbieter kompatibler Produkte ausnutzen.

Bedeutung für App-Entwickler: App-Entwickler haben gegenüber Gatekeepern, die ein Betriebssystem oder einen virtuellen Assistenten als CPS betreiben, einen Anspruch auf kostenlosen und effektiven Zugang zu diesen CPS mittels Interoperabilität für komplementäre Soft- und Hardware.

Welche Mittel haben App-Entwickler zur Durchsetzung ihrer Rechte?

Neben der öffentlichen Durchsetzung des DMA durch die Kommission, besteht auch die Möglichkeit des Private Enforcement für App-Entwickler (weitere Hintergrundinformationen dazu finden Sie in unserem Beitrag auf Noerr News).

Bei Verstößen gegen DMA-Verpflichtungen durch Gatekeeper können betroffene Akteure demnach zivilrechtlich vor den nationalen Gerichten in der EU Unterlassungsklagen (inkl. einstweiligen Rechtsschutz) und ggf. Schadensersatzklagen anstrengen. Darüber hinaus können App-Entwickler auch formale Beschwerden bei der Kommission einreichen, um die öffentliche Durchsetzung zu fördern.

Hinzu kommt, dass nach der Feststellung eines Verstoßes gegen den DMA durch die Kommission (und ggf. Gerichte) auch sog. Follow-On-Klagen auf Schadensersatz gegen Gatekeeper möglich sein werden. Der deutsche Gesetzgeber hat die aus dem Kartellrecht bekannte Bindungswirkung von Kommissionsentscheidungen mit der 11. GWB-Novelle auch auf Kommissions-Entscheidungen zum DMA erstreckt.

Wie geht es weiter?

Die Kommission muss innerhalb von zwölf Monaten ihre eingeleiteten Ermittlungen gegen Alphabet, Apple und Meta abschließen. Für App-Entwickler besonders relevant ist dabei die Frage, ob bzw. inwiefern Alphabet und Apple aufgrund ihrer Ausgestaltung der Bedingungen ihrer App-Stores gegen den DMA verstoßen. Darüber hinaus besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass App-Entwickler und andere betroffene Akteure auch vor Abschluss der Kommissions-Verfahren bereits im Wege des Private Enforcement vor nationalen Gerichten gegen die Gatekeeper vorgehen.

Hinweis: Das Buch "Das neue Recht der digitalen Märkte – Digital Markets Act (DMA)", das kürzlich von Dr. Jens Peter Schmidt und Dr. Fabian Hübener veröffentlicht wurde, ist unsere Einschätzung zu den Hintergründen, der Umsetzung und der Compliance mit dem DMA. Für eine weitere Beratung und individuelle Lösungen zum DMA und damit verbundenen wettbewerbsrechtlichen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.