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Die Regulierung „virtueller Währungen“ – ein Neuanfang?

05.11.2018

„Virtuelle Währungen“ sind spätestens seit dem rasanten Wertanstieg des Bitcoin in den letzten Jahren nicht nur interessierten Nutzern, sondern auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Das wachsende Interesse an Bitcoins und anderen virtuellen Währungen (auch Kryptowährungen oder Kryptocoins genannt) löste einen erheblichen Andrang auf Online-Handelsplattformen aus, auf denen „echtes“ Buchgeld gegen virtuelle Währungen eingetauscht wird. Die Frage einer Erlaubnispflichtigkeit der Veräußerung von Bitcoins auf solchen Handelsplattformen war kürzlich Gegenstand einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin (Urt. v. 25. September 2018, Az. (4) 161 Ss 28/18 (35/18)). Diese Entscheidung zeichnet sich dadurch aus, dass das Kammergericht der bisherigen, auch im internationalen Vergleich restriktiven Auffassung der BaFin zur Rechtsnatur von Bitcoins entgegentritt und eine aufsichtsrechtliche Erlaubnispflicht des Bitcoinhandels verneint.

Bisherige Ansicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-aufsicht (BaFin)

Bitcoins werden im Rechenwege durch Computerleistung erzeugt und sind Bestandteil eines verschlüsselten dezentralen elektronischen Zahlungssystems. Kennzeichnend ist dabei, dass Bitcoins in einem für jedermann zugänglichen Netzwerk verwaltet und gespeichert werden und technisch eine Übertragung von Bitcoins an jeden möglich ist, der über einen internetfähigen Computer verfügt. Wesentliches Merkmal der Bitcoins ist zudem, dass keine übergeordnete und bestimmbare (juristische) Person existiert, die regulierend auf die Verteilung von Bitcoins Einfluss nehmen könnte.

Die Frage der aufsichtsrechtlichen Regulierung von Bitcoins und anderen virtuellen Währungen erhält mit der zunehmenden Bekanntheit und Verbreitung von Bitcoin, Ethereum, Ripple, Litecoin & Co. stetig steigende Relevanz. Neben Warnungen diverser Aufsichtsbehörden vor den mit virtuellen Währungen verbundenen wirtschaftlichen Gefahren steht dabei insbesondere die Frage einer aufsichtsrechtlichen Qualifizierung und Subsumtion unter bestehende strafbewehrte Erlaubnistatbestände im Fokus.

Die BaFin hat dabei bisher die Auffassung vertreten, dass Bitcoins und vergleichbare virtuelle Währungen Rechnungseinheiten i.S.v. 
§ 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 7 KWG
und damit Finanzinstrumente seien. Entsprechend dieser Rechtsauffassung der BaFin fielen Anbieter, die über Online-Handelsplattformen Buchgeld in Bitcoins tauschen, in den Anwendungsbereich des KWG und unterlagen den dort normierten Erlaubnispflichten (vgl. BaFin, Hinweise zu Finanzinstrumenten vom 26. Juli 2018; BaFin, Bitcoins: Aufsichtliche Bewertung und Risiken für Nutzer vom 19. Dezember 2013).

Die Rechtsauffassung der BaFin im Vergleich zu ausländischen Finanzaufsichtsbehörden

Die Handel mit virtuellen Währungen auf Online-Plattformen ist international nicht einheitlich reguliert. Entsprechend hatten die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 auf ihrem Treffen in Buenos Aires am 19./20. März 2018 keine konkreten Maßnahmen zur Regulierung virtueller Währungen beschließen können.

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) hat in einem ihrer sog. Faktenblätter am 30. August 2018 erklärt, dass virtuelle Währungen selbst nicht der Regulierung unterfallen sollen, virtuelle Währungsplattformen allerdings dem Geldwäschegesetz unterliegen und im Einzelfall eine sog. Bankenbewilligung erforderlich sein kann. Entsprechend einer durch die niederländische Autoriteit Financiële Markten (AFM) am 20. Dezember 2013 verbreiteten Stellungnahme des niederländischen Finanzministers sind virtuelle Währungen in den Niederlanden nicht Gegenstand der Aufsicht durch die AFM. Im Vereinigten Königreich qualifiziert die Financial Conduct Authority (FCA) virtuelle Währungen in einem Statement vom 6. April 2018 ebenfalls als unregulierte Assets, solange virtuelle Währungen nicht zum Gegenstand regulierter Finanzinstrumente gemacht werden. Nach Auffassung der Österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) vom 1. Oktober 2018 unterliegen virtuelle Währungen (Krypto-Assets) zwar selbst nicht der Regulierung, was indes nach dortiger Rechtsauffassung eine Erlaubnispflicht nicht für solche Geschäftsmodelle ausschließt, die virtuelle Währungen zum Gegenstand haben. Die Banque de France qualifiziert das Betreiben von Online-Handelsplattformen für virtuelle Währungen (crypto-actifs) in einer Stellungnahme vom 5. März 2018 ebenfalls als ggf. erlaubnispflichtig.

Begrüßenswerte Entscheidung des Kammergerichts Berlin

In seinem Urteil vom 25. September 2018 (Az. (4) 161 Ss 28/18 (35/18)) widerspricht das Kammergericht der bisherigen Rechtsauffassung der BaFin zur Einordnung virtueller Währungen als Rechnungseinheiten und qualifiziert das Betreiben einer diesbezüglichen Online-Handelsplattform nicht als erlaubnispflichtiges Geschäft i.S.v. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG. Da Bitcoins nach Auffassung des Kammergerichts demnach auch keine Finanzinstrumente i.S.v. § 1 Abs. 11 Satz 1 KWG darstellen, soll das Handeln von Bitcoins auf einer solchen Online-Plattform ohne KWG-Erlaubnis auch nicht nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG strafbar sein. Das Kammergericht stützt seine Entscheidung dabei im Wesentlichen auf die beiden folgenden Aspekte: erstens lasse sich der Begriff des Bitcoins nicht unter den in § 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 7 KWG niedergelegten Begriff der „Rechnungseinheit“ subsumieren, weil es dem Bitcoin an einer allgemeinen Anerkennung, Wertbeständigkeit und Wertmessungsfunktion fehle; und zweitens überspanne die BaFin im Lichte des in Art. 103 Abs. 2 GG normierten strafrechtlichen Bestimmtheitsgebotes den ihr zugewiesenen Aufgabenbereich, wenn sie als eine der vorbeugenden Gefahrenabwehr verpflichtete Bundesanstalt durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs von Erlaubnispflichten für Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen mittelbar die Reichweite strafrechtlicher Normen erhöht.

Die Entscheidung des Kammergerichts verdient im Ergebnis Zustimmung. Auch im Zusammenhang mit finanzwirtschaftlichen Neuerungen und Weiterentwicklungen müssen rechtsunterworfene Wirtschaftsteilnehmer – insbesondere angesichts der in § 54 KWG angeordneten Strafbewehrung – klar erkennen können, wie weit eine aufsichtsrechtliche Erlaubnispflicht reicht. Unklarheiten dürfen nicht zu Lasten des Bürgers gehen. Vielmehr ist es Sache der Legislativorgane, Voraussetzungen und Tragweite von Straftatbeständen eindeutig festzulegen. Dies kann weder Aufgabe noch Verantwortung gesetzesvollziehender Verwaltungsbehörden sein, auch und gerade nicht im Zusammenhang mit neuen finanzwirtschaftlichen Konstrukten wie den virtuellen Währungen.

Verhältnis der Kammergerichtsentscheidung zur zukünftigen BaFin-Aufsichtstätigkeit

Die Entscheidung des Kammergerichts hat zunächst einmal unmittelbare Wirkung für den entschiedenen Fall. Darüber hinaus steht es der BaFin rechtlich grundsätzlich frei, auch künftig abweichend vom Präjudiz der Entscheidung des Kammergerichts zu entscheiden. Allerdings hat die BaFin eine abweichende Auffassung in Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Kammergerichts deutlich zu begründen.

Ausblick

Vor dem Hintergrund der bisherigen Verwaltungspraxis der BaFin im Umgang mit gerichtlichen Entscheidungen steht nicht zu erwarten, dass die BaFin ihre Aufsichtspraxis im Zusammenhang mit virtuellen Währungen schon in Kürze ändern wird. Dies dürfte auch in Bezug auf sog. Initial Coin Offerings (ICOs) gelten, sofern diese im Zusammenhang mit virtuellen Währungen stehen. Zur Vermeidung der bestehenden Rechtsunsicherheit – diese erscheint vor dem Hintergrund der Strafbewehrung nach § 54 KWG als besonders misslich – ist der Gesetzgeber gefragt, eine Klarstellung der Begriffe „Finanzinstrument“ und „Rechnungseinheit“ im KWG vorzunehmen, die dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG („nullum crimen, nulla poena sine lege scripta, praevia, certa et stricta“ – kein Verbrechen, keine Strafe ohne geschriebenes, vorheriges, bestimmtes und konkretes Gesetz) genügt. Angesichts des fragmentarischen Charakters des Strafrechts ist es indes nicht der BaFin als Verwaltungsbehörde überlassen, das scharfe Schwert des Strafrechts zu schmieden. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen empfiehlt es sich für Unternehmen, auch künftig Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit virtuellen Währungen (einschließlich ICOs) vorab sehr genau im Lichte des geltenden Aufsichtsrechts zu analysieren und zu bewerten, um eine Sanktionierung durch eine rechtzeitige Abstimmung mit der BaFin zu vermeiden und ggf. bestehende Spielräume für eine erlaubnisfreie Rechts- und Vertragsgestaltung nutzen zu können.